Ja oder Nein: „Recht auf Erholung“ von der Brusnikin Theaterwerkstatt
Ist es möglich ein Stück nach den Aufzeichnungen einer Sitzung des sowjetischen Schriftstellerverbandes aus dem Jahr 1971 zu produzieren, welches die Zuschauer zwei Stunden lang in Spannung hält? Die Antwort ist – JA – die Schauspieler der Brusnikin Theaterwerkstatt bewiesen es gestern!
Von Beginn an werden die Zuschauer in eine mystische Atmosphäre der Zeitlosigkeit eingetaucht. Es wird über den Ausschluss von Alexander Galitsch diskutiert, eines Poeten und Sängers, der nach und nach zum kompromisslosen Dissidenten und Kritiker der Machtverhältnisse wurde. Die Figuren reden zwar in sowjetischen Floskeln, doch die modernen Intonationen, Kostüme, das Bühnenbild und die bedrohliche elektronische Musik, die im Hintergrund spielt, lassen das Publikum an der Epoche, in der das Stück spielt, zweifeln.
Der Truppe was es wichtig ein Stück über die Gegenwart und nicht über die Vergangenheit zu produzieren, erklärten die Schauspieler beim Publikumsgespräch. Denn auch heute kann ein Künstler in Russland nicht gleichzeitig frei und regierungstreu bleiben.
In „Recht auf Erholung“ werden die Zuschauer zu Akteuren – sie lesen Abschnitte aus der Aufzeichnung der Sitzung vor und am Schluss müssen sie für oder gegen den Ausschluss Galitschs aus dem Verband abstimmen. Den Ausschluss bedeutet für den Poeten eine erzwungene Immigration, denn in der Heimat werden seine Werke nicht mehr veröffentlicht. Doch ist es für ihn besser ein Mitglied des Verbands zu bleiben und weiterhin in der erdruckenden Unfreiheit der Sowjetunion zu leben? Diese Frage muss jeder für sich beantworten.
Das Münchner Publikum stimmte gegen den Ausschluss des Schriftstellers und griff somit in den Lauf der Geschichte ein, denn in Wirklichkeit wurde Galitsch ausgeschlossen und musste die Sowjetunion verlassen.
Text: Julia Lebedeva