Wie alles begann
Mitglied der Festivaldirektion Maria Klimovskikh berichtet von den eindrucksvollsten, schwierigsten und lustigsten Festivalmomenten.
Das erste Festival
2004 entstand in München das Tam-Tam Theater. Es wurde von Katja Schmeer, die in Kasachstan im deutschen Theater arbeitete, gegründet. Die meisten Schauspieler kamen erst vor kurzem nach Deutschland. Die Truppe bestand zum Teil aus Leien und zum Teil aus professionellen Schauspielern, die die deutsche Sprache noch nicht genug beherrschten, um in Deutschland ihrem Beruf nachzugehen.
Im gleichen Jahr organisierten wir den Kulturaustausch mit einem russischen Theater aus Omsk. Die Truppe kam nach München. Aus diesem Anlass haben wir entschieden auch Theatergruppen aus Nürnberg und Erlangen nach München einzuladen und ein eintägiges Festival zu veranstalten. Gleichzeitig war eine großartige Musikband „Billy’s Band“ gerade auf ihrer Tour in München. Und so kamen viele glückliche Zufälle auf einmal zusammen, sodass wir beschlossen haben, auf dem Plakat nicht einfach „Festival“, sondern „das erste Festival“ zu schreiben.
Auch der Name JULA wurde damals geboren. Wir haben ihn für ein anderes Projekt ausgedacht und nicht gebraucht. Der Name passte aber perfekt für unser neues Vorhaben. Und da alles so gut lief, haben wir uns gedacht „warum nicht gleich ein zweites Festival zu veranstalten?“ So hat damals alles angefangen.
In den ersten Jahren fand JULA in Fürstenried West statt, sehr weit vom Stadtzentrum entfernt. Alle waren damit sehr unzufrieden, kamen aber trotzdem zum Festival, da sie sehen wollten, was wir da so interessantes treiben. Wir hatten damals ca. 200 Zuschauer.
Wie wir uns professionalisierten
Unsere künstlerische Leiterin Veronika Kobert hat damals Theaterwissenschaft an der Münchner Uni studiert. Sie hatten eine Studiobühne am Institut, wo sie sowohl eigene Inszenierungen zeigten als auch andere studentische Theatergruppen einluden. Einmal hatten Sie Grigorij Lifanov von der russischen VGIK Universität als Gast. Wir haben ihn sofort eingeladen auch an JULA teilzunehmen. Im Jahr 2006 kamen dann die Studenten der Alexej Batalov Theaterwerkstatt mit dem Stück „Tage unseres Lebens“ nach München. So begann unsere Freundschaft mit VGIK.
Im gleichen Jahr haben wir das Festival auf vier Tage verlängert, und ein Jahr später – auf ganze fünf. Damals wurde es auch auf verschiedenen Bühnen gespielt. 2007 haben wir uns mit dem „Theater 19“ aus Kharkiv angefreundet, wo Sergej Babkin von der Band „5’nizza“ gespielt hat.
Ehrenamtliche, Slam und Kino-Brunch
2008 haben wir angefangen ehrenamtliche Helfer aus ganz Deutschland heranzuziehen. Seitdem ist das ein wesentlicher Bestandteil des Festivals. Im gleichen Jahr hatten wir auch einen Theater-Slam organisiert. Jede Theatergruppe hatte nur 30 Minuten Zeit für ihren Auftritt, doch der Slam lief einen ganzen Tag. Wir hatten eine Jury, Preise und eine tolle Atmosphäre, aber es war auch sehr anstrengend zum Organisieren. Es ist im Allgemeinen schwerer mit Laien- als mit professionellen Theatern zu arbeiten, deswegen mussten wir nach zwei Jahren den Slam leider einstellen.
Dafür fand im Jahr 2009 der erste KINObrunch statt. Damals gab es noch keinen Wettbewerb und wir haben das Programm aus den Filmen von Regisseuren, die wir persönlich kannten, zusammengestellt. Wir hatten Animatorin Olesja Schukina im Team, die die tollen Zeichentrickfilme für den KINObrunch ausgesucht hat. Richard Bondarev von der VGIK hat studentische Filme beigesteuert.
120 Kilo Bohnen
2010 hatten wir Kirill Pletnev vom Zentrum für Dramaturgie und Regie mit dem Stück „Ich bin ein Maschinengewehrschütze“ bei uns als Gast. Für sein Performance hat er 120 Kilo rote und weiße Bohnen gebraucht! Wir haben uns schließlich auf die halbe Meine geeinigt, doch auch die war nicht so einfach zu bekommen. Du kannst nicht einfach so 60 Kilo Bohnen im Supermarkt kaufen. Und nach dem Festival war es viel zu schade die ganzen Bohnen wegzuschmeißen. Wir haben sie alle gesammelt, gewaschen und zwischen allen Teammitgliedern verteilt. Zwei ganze Jahre aßen wir noch diese Bohnen!
Ein Jahr, wo alles schieflief
Das Festival im Jahr 2011 war bis jetzt das schwierigste. Wir hatten damals ein relativ kleines Team. Unsere künstlerische Leiterin Veronika Kobert war gerade in Elternzeit. Wir hatten Bulgakov-Haus-Theater mit dem Stück „Mein Vater“ bei uns als Gast. Der Regisseur und die Schauspielerin, die die Hauptrolle gespielt hat, bekamen lange kein Visum, und als sie schließlich ihre Visa hatten, hatten sie ihren Flug verpasst. Da die Schauspielerin gefehlt hat, musste die Truppe das gesamte Stück innerhalb einer Nacht praktisch neu inszenieren. Und wir mussten das sehr aufwendige Bühnenbild abbauen, ins Proberaum transportieren, dort wieder auf- und abbauen, zurück ins Theater transportieren und schließlich wieder aufbauen.
Damals kam auch die Band „Selo i Ludy“ zum ersten Mal nach München – leider verlief es auch nicht ganz reibungslos. Der Auftritt war für den Samstag geplant, ihre Visa hatten die Musiker aber erst am Donnerstag erhalten.
Die wandelnde Ausstellung
2012 fand unser Festival im Kulturzentrum Gasteig statt. Da haben wir zum ersten Mal eine große Fotoausstellung mit Jury und Preisen organisiert. Doch leider wurde der Raum, der für die Ausstellung vorgesehen war, nicht rechtzeitig frei geworden, sodass wir es zeitlich nicht mehr geschafft haben, die Bilder aufzuhängen. Bei der Ausstellungseröffnung trugen unsere Helfer, die ganz in Schwarz gekleidet waren, die Bilder durch das Foyer. So wurde die Ausstellung zu einer Performance!
Im gleichen Jahr trat bei uns die Theatergruppe aus Köln auf, mit dem Stück über den Terroranschlag auf den „Nord-Ost“ Musical in Moskau. Zum ersten Mal hatten wir ein so aufgeladenes Thema behandelt.
Außerdem hatten wir ein Theater aus Israel dabei. Sie zeigten zwei Inszenierungen in englischer Sprache.
Im gleichen Jahr bekam unser KINObrunch eine Jury und verschiedene Kategorien.
Danke an die Bundeswehr
2015 trat bei uns der Kinder- und Jugendtheater aus Ekaterinburg mit dem Stück „Die Mädchen sind durch den Krieg gegangen“ auf. Für das Bühnendekoration haben wir alte Metallbetten gebraucht, die wir nirgendwo finden konnten. Zum Glück haben wir sie schließlich bei der Bundeswehr gefunden. Es war schon lustig sich anschließend bei der Bundeswehr für die Betten zu bedanken, die wir für das Stück über das zweite Weltkrieg gebraucht haben.
Selbstständige Musikinstrumente
Im Jahr 2018 hatten wir die Musikband „Lyapis-98“ als Gast. Sie wollten am Tag ihres Auftritts anreisen, doch zum Glück konnten wir sie überzeugen schon früher da zu sein. Denn als sie angekommen sind, mussten sie feststellen, dass ihre Musikinstrumente nicht mitgereist sind. Ich kann wirklich viele Probleme lösen, und hatte dann schon Ersatzinstrumente organisiert, was mir sehr viel Mühe gekostet hat, doch glücklicherweise kamen die Originalinstrumente am Tag des Auftritts doch noch an.
Im gleichen Jahr kam auch eine Geige der Golomasov Theaterwerkstatt nicht in München an und wir mussten hier einen Ersatz besorgen.
Auf dem letzten Festival gab es einen Vorfall der anderen Art – die Schauspieler des Kulutrzentrums „Integration“ haben eine Trompete dabei, die sie problemlos nach München transportieren konnten, doch beim Rückflug wurde die Trompete nicht mehr durchgelassen und die Schauspieler mussten zuzahlen, damit sie ihre Trompete wieder mit nach Hause nehmen konnten.
Über die Balance
Bei der Auswahl der Theaterstücke für das Festival ist es nicht nur wichtig tolle Stücke auszuwählen, sondern auch zu beachten, dass das Programm insgesamt abwechslungsreich ist. Deswegen haben wir einige ungeschriebene Regeln: bei der Eröffnung zeigen wir ein deutschsprachiges Stück, am Donnerstag ist Experimentaltheater an der Reihe, am Freitag und am Samstag zeigen wir Inszenierungen von bekannten Theatern und am Sonntag etwas Lustiges und ein Stück für Kinder.
Über das Networking
Wir versuchen den Kulturaustausch zwischen verschiedenen Ländern zu fördern. Zum Beispiel hatten wir sehr gute Erfahrungen mit Weißrussland gemacht. Wir haben wirklich sehr gute Inszenierungen aus Weißrussland auf unserer Bühne gezeigt und so den Theatern aus Weißrussland eine Plattform
Übersetzung: Julia Lebedeva